Wer von uns liebt schon das große Risiko? Wir haben es doch gerne sicher und arbeiten vorausschauend. Aber Winzer, die sich für die „kalte Schönheit“ Eiswein entscheiden, müssen pokern. Sie ertragen das Plus an Arbeit und das nervenaufreibende Warten auf frostige Nächte in der Hoffnung, Glück zu haben und einen Eiswein kreieren zu können. Sie gehen aber das Risiko ein, mit leeren Händen dazustehen. Es kann nämlich ohne Weiteres sein, dass die für den Eiswein vorgesehenen Trauben vorher verderben oder dass ihnen die Großwetterlage überhaupt keine frostigen Tage bescheren. Und dann sind alle Mühen vergebens.
Ideale Voraussetzungen für den Eiswein sind Nachttemperaturen um die -7 ° C. Es ist nicht ausreichend, nur eine frostige Nacht zu haben, die Beeren müssen bis in das Innere hart gefroren sein. Das ist per Gesetz geregelt. „Halbgefrorenes“ darf nicht als Eiswein deklariert werden, sondern bestenfalls als Auslese oder Beerenauslese.
Doch wie geht es von der herbstlichen Ernte bis zum Eiswein?
Nach der regulären Ernte sucht der Winzer unter seinen Reben - meist der Sorten Riesling oder Silvaner - Parzellen mit gesunden Trauben aus und netzt diese komplett ein, damit die Vögel nicht „seine“ Ernte übernehmen. Nun heißt es abwarten. Sinkt die Temperatur mehrere Nächte lang unter -7° C, dann startet die Aktion „Eisweinlese“. Die Lese muss genau dann erfolgen, wenn die Temperatur am tiefsten ist. Also müssen sich die Erntehelfer auf eine „nächtliche Ruhestörung“ gefasst machen, wenn der Winzer sie in den frühen Morgenstunden weckt. Dann holen sie den Skianzug aus dem Schrank; warme Socken, Mützen, dicke Handschuhe und Stirnlampen gehören mit zur Grundausstattung. Die Kelter wird ins Freie gestellt, damit auch der Pressvorgang bei mindestens -7° C durchgeführt werden kann.
Bei der Lese muss alles schnell gehen! Nach 2 Stunden sind die hartgefrorenen Trauben in kleine Boxen geerntet und kommen sofort auf die vorgekühlte Kelter. Lustig geht es zu bei der Eisweinlese. Die Kälte tut dem Spaß keinen Abbruch - ganz im Gegenteil! Viele von den älteren Winzern erzählen heute noch von ihrer einzigen Eisweinlese im Leben. Ein spannendes Ereignis, sowohl für die Erntehelfer wie auch für die Winzer.
Für die Helfer beginnt nun der angenehme Teil der Ernte. In der warmen Winzerstube wartet schon ein herrlich deftiges Frühstück, ein Schlückchen Sekt zum Anstoßen auf das gute Gelingen und...es wird auch nicht langweilig die Anekdoten der anderen immer wieder zu hören.
Mit Spannung erwartet der Winzer nun die ersten kostbaren Tropfen an hochkonzentriertem Saft aus der Presse und steht mit seinem Refraktometer bereit, um die Öchslegrade (Zuckergewicht der Traube) zu messen. Bis zu 180° oder 200° Öchsle ist keine Seltenheit. Ein Elexier aus Traubensaft, Aromen, Zucker und Säure tröpfelt langsam in den Behälter. Nur bis 125° Öchsle kann das Mostgewicht sinken, alles was darunter ist, darf nicht als Eiswein deklariert werden. Entsprechend gering ist die Ausbeute – entsprechend hoch (aber auch verständlich) sind nun die Preise für den Eiswein vom Winzer. Er bleibt eine Rarität, die ihren Weg in so manche Schatzkammer findet und oft jahrzehntelang für besondere Momente reserviert ist.
Wussten Sie, dass Eiswein, wie so viele Dinge im Leben, ein Zufallsprodukt war? Im Jahre 1830 hatte es eine sehr schlechte Weinernte gegeben, und die Winzer ließen einige Trauben am Rebstock hängen. Um nicht völlig auf einen Nutzen zu verzichten, wurden die Trauben im Februar des darauf folgenden Jahres als Viehfutter abgeschnitten. Hierbei bemerkten die Winzer die außergewöhnliche Süße der Trauben und kelterten daraus Wein. Der Eiswein war geboren.
Abgefüllt in kleine Bocksbeutel oder spezielle Flaschenformen wird Eiswein vom Winzer als Spezialität gehandelt. Als Aperitif oder als Digestif zum Dessert genossen, bildet er den Höhepunkt eines Menüs! Wer es spannend und außergewöhnlich liebt, probiert die leckere Kombination Eiswein und Blauschimmelkäse. So haben Sie ein komplettes und vor allem extravagantes Dessert, welches es zu zelebrieren gilt!
Besser als Kurt Tucholsky kann man diese Wein-Freude kaum beschreiben:
"Schade, dass man einen Wein nicht streicheln kann."
Martha Gehring - Winzerin aus Leidenschaft und fränkische Weinbotschafterin - begleitet für "Franken - Wein.Schöner.Land!" mit Text und Bild den Frankenwein über das Jahr und erklärt die wichtigsten Aufgaben eines Winzers.